Vom Urklang der Völker zur Weltharmonie

Der Geist und die Denkweise eines Volkes drücken sich stets in seiner Sprache aus. Die tieferliegenden seelischen Dimensionen und die emotionale Welt hingegen bedürfen der unmittelbaren, überrationalen Ausdrucksform der Musik. In den Liedern der Völker spiegeln sich ihre Freude, ihr Schmerz, ihre Hoffnung und ihre Spiritualität. Im Gegensatz zur Wortsprache kennt die Welt der Musik keine Barrieren für das Verständnis; wer immer offenen Herzens eine Melodie hört, kann ihre Botschaft verstehen und damit einen Zugang zur Welt des Sängers bekommen.

„Die Menschen fürchten sich vor dem, was sie nicht verstehen.“ („İnsanlar bilmedikleri şeylerden korkarlar.“) Dieser Satz des großen Imams Hazreti Ali umfasst das grundlegende Problem der heutigen multikulturellen Gesellschaft, in der wir zwar in unmittelbarer Nachbarschaft vieler Nationalitäten, Weltanschauungen und Religionen leben, aber eben doch nicht wirklich mit ihnen zusammen leben. Für Einheimische wie auch für die Zuwanderer bestehen vielfältige kulturelle, meist auch sprachlich bedingte Hemmschwellen, um den jeweils anderen wirklich auf einer tieferen emotionalen Ebene kennenzulernen und zu verstehen.

Es gilt aber auch das Wort Johann Wolfgang von Goethes: „Gegenüber großen Eigenschaften eines Anderen gibt es kein anderes Rettungsmittel als die Liebe.“ Und was wäre besser dazu angetan, die Größe und den Reichtum eines Volkes kennen und lieben zu lernen, als sich an seiner schönsten Ausdrucksform, seinem Liederschatz zu erfreuen.

Viele junge Menschen nicht nur, aber vor allem in Deutschland haben sich in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend dem Liederreichtum ihrer Vorfahren entfremdet. Es ist ein beglückendes Erlebnis, wenn wir ein neues Identitätsgefühl mit unserer Heimat entwickeln, indem wir die Schönheit unserer alten Lieder neu entdecken. Besonders wertvoll aber ist es, wenn man aus dieser Verankerung in der eigenen Kultur heraus den Liedern anderer Nationen offenen Herzens begegnet und schließlich feststellt, dass trotz aller vordergründigen Unterschiede letztlich überall auf der Welt ähnliche Themen besungen werden, und dass die Menschen ihre Gefühle stets in einer Weise ausdrücken, die von allen anderen verstanden werden kann.

„Die Dinge unterscheiden sich nur an der Oberfläche, in der Tiefe wird alles Gesetz.“ (Friedrich Nietzsche)